Umweltkosten: In Euro bewertete Umwelt- oder Gesundheitsschäden

Etwa 30 Cent zahlen wir im Durchschnitt für eine Kilowattstunde Strom. Leider ist das nicht der tatsächliche Preis, denn er erhöht sich um die „Umweltkosten“. Um diese herauszufinden, muss man tief in die Materie einsteigen. Aber starten wir erst einmal mit simplen Zahlen, danach soll es darum gehen, wie man zu den genannten Beträgen kommt!

Denken wir derzeit an Umweltkosten, fällt uns zuerst der „CO2-Preis“ ein. Das Umweltbundesamt (UBA)* (Quellen und Anmerkungen zu den Sternchen findet ihr am Ende dieses Beitrags) empfiehlt einen Kostensatz** von 195 € / t CO2-Äquivalent für das Jahr 2020 oder einen Kostensatz von 680 € / t CO2-Äquivalent***. Im Fall „195“ wird die Wohlfahrt**** künftiger Generationen niedriger bewertet als die heutiger Generationen, im Fall „680“ gleich hoch. Der aktuelle Preis von 25 Euro je Tonne (der bis 2025 auf 55 Euro steigen soll) ist also nur ein billiges Alibi, das die drastische Auswirkung von CO2 auf das Weltklima völlig ignoriert und mit dem sich kein nennenswerter Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels erreichen lässt.

Auf der Grundlage des CO2-Preises lassen sich auch weitere Kosten errechnen:

Zum Beispiel resultiert für die Umwandlung von Ackerland in Siedlung aus dem Kostensatz von 195 Euro ein monetärer Schaden von etwa 30.000 Euro/ha (bei 680 Euro sogar 105.000 Euro!).

Und bei der Energieerzeugung ergeben sich (auf der Basis „195“) Umweltkosten von gut 20 Cent/kWh für Braunkohle, Steinkohle und Öl, etwa 9 Cent für Erdgas und Biomasse, aber nur knapp 2 Cent für Photovoltaik und etwa 0,3 Cent für Wasser- und Windkraft. Eine Kilowattstunde müsste also statt etwa 30 Cent je nach Quelle 30 bis 50 Cent kosten, oder auf der generationengerechteren Basis „680“ etwa 30 Cent bis mehr als 1 Euro. Kernenergie ist übrigens sehr schwierig zu bewerten, deshalb ist dazu kein Wert angegeben.

Beim Verkehr entstehen Umweltkosten durch Treibhausgase, Luftschadstoffe (Auspuff plus Abrieb), Lärm, Infrastruktur, Produktion und Entsorgung der Fahrzeuge, Energieverbrauch sowie Flächenverbrauch und Zerschneidung. Auf der Basis „195“ ergeben sich damit – egal wie viele Leute in dem jeweiligen Pkw/Zug/Flugzeug sitzen – je Pkw-Kilometer Kosten von ca. 7 bis 8 Cent, für Nah- bzw. Fernzüge etwa 2,50 bzw. 5,00 Euro je Bahn-Kilometer, im Flugverkehr rund 10 bis 16 Euro je Flug-Kilometer. Im Güterverkehr liegen die Kosten höher. Setzt man den „generationengerechten“ Wert von 680 Euro je Tonne CO2-Äquivalent an, sind diese Werte etwa 3,5-mal so hoch. Die für „195“ vom UBA angegebenen Werte für Personenkilometer liegen bei 5,4/4,7/4,4 Cent für Diesel-/Benzin-/Elektro-Pkw, bei 7,0/4,7 Cent für Bahn-Nah-/Fernverkehr und 9,0/6,2 Cent für Kurz- und Mittelstrecken-/Langstreckenflüge. E-Bikes sind leider nicht aufgeführt. Bemerkenswert: E-Pkw verursachen derzeit fast die gleichen Umweltkosten wie Diesel und Benziner; aber die Kosten bei E-Pkw sinken insbesondere mit einem höherem aus Photovoltaik und Wind erzeugtem Stromanteil. Und, was durch die oben genannten Zahlen nicht direkt deutlich wird: Vor allem eine stärkere Auslastung der Züge und eine weitere Verbesserung im Strommix senken die Umweltkosten im Bahnverkehr deutlich. Der Umstieg von Pkw auf Bahn und Bus bringt eine erhebliche Reduzierung der Umweltkosten.

Das UBA gibt auch Umweltkosten für die Ausbringung von Stickstoff (6,30 Euro pro kg) und Phosphor (4,44 Euro pro kg) in der Landwirtschaft an. Diese Kosten, die anders als die oben angegebenen Kosten nicht auf dem CO2-Äquivalent basieren, sind als Untergrenze zu betrachten. Auch für Baustoffe nennt das UBA Umweltkosten; aus diesen Werten lassen sich jedoch kaum allgemeine Informationen ableiten, hier muss immer das spezielle Projekt betrachtet werden.

Über solche „Standardemissionen“ wissen wir schon relativ viel. Doch brauchen wir differenziertere Betrachtungen und die Erfassung weiterer Schadstoffe. Was macht zum Beispiel das Mikroplastik in der Umwelt? Wie sieht es mit Giftstoffen aus, die bei der Gewinnung von Rohstoffen in die Umwelt gelangen? Damit ergeben sich dann gänzlich neue Schadenskategorien.

Für alle von euch, die jetzt noch nicht genug gelesen haben, folgt hier noch ein Ausflug in die Methodik, mittels der man die angegebenen Kostensätze ermitteln kann!

Es ist eine Binsenweisheit, dass durch von uns Menschen verursachte Umweltbelastungen Folgekosten entstehen. Belastungstreiber sind die Komplexe Produktion, Bau, Energie, Verkehr, Landwirtschaft/Fischerei und Wasserversorgung. Sie sind direkt verantwortlich für den Ausstoß von Treibhausgasen (z.B. Kohlendioxid und Methan) und Schadstoffen in die Atmosphäre, die Verseuchung von Böden und Gewässern, die Schädigung und Vernichtung von Naturgebieten (Wälder, Moore, …), die Versiegelung von Böden und intensive Grundwasserentnahme. Und damit indirekt für Kosten, die danach kommen: Schäden durch Naturkatastrophen, höhere Aufwände (zum Beispiel für Recycling) wegen teils aufgebrauchter Ressourcen, Luft-/Boden-/Wasserreinigung, Gesundheitsschäden, Renaturierungsaktionen/Aufforstungen und Rückbaumaßnahmen, Überflutungsschutz, Umsiedelungen und vieles mehr. Die Quantifizierung solcher Kosten ist extrem abhängig von den dafür angesetzten Randbedingungen: Art des Schadens, (Ir-)Reversibilität, Region, Zeitpunkt des Eintretens und Dauer, … Wir brauchen dafür möglichst international einheitliche Bewertungskriterien, EU-weit, weltweit.

Warum ist es überhaupt wichtig, derartige Schäden zu quantifizieren? Ganz einfach: Weil sich damit umweltpolitische Maßnahmen besser begründen lassen; schließlich ist unsere Volkswirtschaft ganz wesentlich getrieben von wirtschafts- und damit letztendlich finanzpolitischen Argumenten. Das Umweltbundesamt sagt dazu wörtlich auf Seite 9 der „Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Methodische Grundlagen“ von 2018: „Denn die Kosten des Klimaschutzes sind geringer als die Kosten des Nicht-Handelns.“

Die Kohlendioxidsteuer ist ein, wenn auch bisher noch sehr rudimentärer Ansatz zur Übernahme von Umweltschadenskosten durch den Erzeuger, quasi eine „Internalisierung“ externer Kosten auf den Erzeuger statt der Kostenübernahme durch andere; in diesem Fall wären diese anderen die gesamte Weltbevölkerung. Der Erzeuger der Schäden wird damit motiviert, den Kohlendioxidausstoß so weit zu reduzieren, dass seine Kosten minimal werden.

Quantifiziert, also in Zahlen gefasst, werden die Erwartungswerte, die sich aus individuellen Präferenzen, gesellschaftlichen Bewertungen und Expertenurteilen ergeben. Dabei spielen auch die Arten der Risiken eine Rolle (z.B. „besonders gefährlich und unwahrscheinlich“, wie es etwa für einen Super-GAU gelten würde, oder „Gefahr und Wahrscheinlichkeit unsicher“, wie es für Lebensmittelzusätze oder Aluminium in der Creme gelten könnte).

Zur Ermittlung der Umweltkosten kann man den Wirkungspfad betrachten, ausgehend von dem, was passiert, zum Beispiel im Verkehr Emissionen (Verbrennung, Abrieb, Lärm) bis hin zu den dadurch verursachten quantifizierten physischen Schäden, die dann monetär bewertet werden. Die ermittelten Geldwerte geben die negativen Einflüsse auf Wohlbefinden und Gesundheit, eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten der Umwelt und damit in Summe den Nutzenverlust für die Betroffenen wieder.

Geht es um die Schadensvermeidung, ist der Ansatz anders: Man ermittelt, wie hoch die Vermeidungskosten sind, um die Umweltbeeinträchtigung auf einen vorgegebenen Zielwert oder Standard zu reduzieren. Diese Kosten repräsentieren quasi die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft zur Verringerung der Schäden. Sie sollten niedriger sein als die Kosten resultierender Schäden bei Nicht-Vermeidung.

Natürlich lassen sich diese beiden Ansätze auch kombinieren. Und es gibt einen weiteren, makroökonomischen Ansatz, mit dem sich Modelle auf höherer Ebene, zum Beispiel den Sektoren „Verkehr“ oder „Energie“, betrachten lassen. Wo immer möglich, sollte der Wirkungspfadansatz genutzt werden, da er die besten Ergebnisse liefert.

Fakt ist: Nur mit derartigen Ansätzen ist es möglich, vorwiegend betriebs- und volkswirtschaftlich denkende Personen und Institutionen von Umweltmaßnahmen zu überzeugen. Wäre Bayern ein geschlossenes System, könnte man damit auch die „Regierung Söder“ überzeugen, die Windkraft in Bayern zu fördern.

Gerhard Seitfudem

* Dieser Beitrag basiert im Wesentlichen auf zwei Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes,  der „Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Methodische Grundlagen“ von 2018 und der „Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten – Kostensätze“ von 2020.

** Alle angegebenen Werte basieren auf bestimmten Annahmen und Rechenmodellen und gelten in der Regel für Deutschland. Ändert man Randbedingungen und Modelle, ändern sich die Werte kaum grundlegend.

*** „Äquivalent“ bedeutet, dass die Wirkung anderer Treibhausgase, also z.B. Methan, in diesen Wert eingerechnet ist.

**** „Wohlfahrt“ umfasst ganz grob die Deckung der Grundbedürfnisse, Lebensstandard, Gesundheit sowie soziales, materielles und kulturelles Wohlergehen der Menschen.

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